Behandlung | Über Inkontinenz

Was leisten Medikamente bei Harninkontinenz?

Medikamente können die Symptome einer Harninkontinenz lindern. Wir haben die wichtigsten Infos über die medikamentöse Behandlung und alternative Therapien für Sie zusammengefasst.

Eine Frau sucht Beratung zu Inkontinenz-Medikamenten in der Apotheke

Eine Frau sucht Beratung zu Inkontinenz-Medikamenten in der Apotheke (Bildquelle: PAUL HARTMANN)

So lindern Sie Ihre Beschwerden

 

Auch wenn die Medizin ständig Fortschritte macht, gibt es derzeit noch kein Medikament, das Inkontinenz gänzlich heilen kann.

Allerdings lassen sich die Beschwerden bei leichter Belastungs- bzw. Stressinkontinenz und vor allem bei Dranginkontinenz durch bestimmte Arzneimittel durchaus lindern – sowohl bei der Frau als auch beim Mann.

Therapie unterscheidet sich je nach Ursache der Inkontinenz

 

Da es verschiedene Formen von Harninkontinenz gibt, die jeweils auf andere körperliche Ursachen (wie z. B. eine Schwangerschaft oder beim Mann eine vergrößerte Prostata) und Grunderkrankungen zurückzuführen sind, unterscheiden sich auch die Blasenschwäche-Medikamente, die zur Behandlung in Frage kommen.

Lassen Sie die möglichen Ursachen Ihrer Inkontinenz daher unbedingt vom Arzt oder der Ärztin Ihres Vertrauens abklären. Gegebenenfalls kommen auch Alternativen zu einer medikamentösen Therapie in Frage. Von Eigenmedikation möchten wir an dieser Stelle dringend abraten.

Wichtige Wirkstoffe und Medikamentengruppen

 

Für die unterschiedlichen Formen und Schweregrade der Harninkontinenz stehen Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin verschiedene pharmazeutische Wirkstoffe zur Verfügung:

  • Der Wirkstoff Duloxetin wurde als Antidepressivum zur Therapie von Depressionen und Angststörungen entwickelt. Mittlerweile wird der Wirkstoff1 auch zur Behandlung der Belastungs-/Stressinkontinenz eingesetzt. Einfach ausgedrückt: Duloxetin bewirkt eine Stärkung des inneren Schließmuskels, welche den ungewollten Urinverlust verhindern kann.
    Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen allerdings Übelkeit und Schwindel. Das Medikament sollte daher in der Dosis langsam gesteigert und ebenso langsam wieder abgesetzt werden.
  • Zur medikamentösen Behandlung der Dranginkontinenz durch eine überaktive Blase (Overactive Bladder, OAB) werden als häufigste Standardtherapie sogenannte Anticholinergika wie beispielsweise Oxybutynin, Tolterodin, Propiverin oder Trospiumchlorid eingesetzt.2 Anticholinergika reduzieren nach einigen Wochen die Überaktivität des Blasenmuskels, wodurch es zu einer Reduktion des ständigen Harndrangs am Tag und in der Nacht kommt.
    Zu den unerwünschten Nebenwirkungen zählen Mundtrockenheit, Sehstörungen, Übelkeit, Herzrasen oder Verstopfung.
  • Antibiotika werden zur Behandlung von Harnwegsinfekten bzw. von Blasenentzündungen eingesetzt. Fällt der Reiz durch die Infektion weg, können sich auch die Symptome einer Harninkontinenz bessern.
  • Zur Behandlung leichterer Formen der Belastungs-/Stressinkontinenz können Östrogene eingesetzt werden.3 Wenn die Harninkontinenz bei Frauen in Zusammenhang mit der Menopause (Wechseljahre) steht, kann in diesen Fällen eine östrogenhaltige Salbe oder ein Östrogenscheidenzäpfchen helfen.4
  • Bei Nebenwirkungen oder nicht ausreichend starker Wirkung von Anticholinergika kommt seit einigen Jahren auch der Wirkstoff Mirabegron zum Einsatz. Er zählt zu den neueren Medikamenten gegen Inkontinenz. Eine Wirkung ist nach ca. 12 Wochen zu erwarten bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen für die Betroffenen. Auch eine kombinierte Einnahme mit einem Anticholinergikum ist möglich.
  • Zudem gibt es einige pflanzliche Mittel, die die Symptome einer bestehenden Harninkontinenz durchaus lindern können. Diese sind oft frei verkäuflich. Lassen Sie sich dennoch unbedingt bei Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt oder in der Apotheke beraten, um mögliche Wechselwirkungen einer solchen nicht-medikamentösen Therapie mit anderen Medikamenten vorzubeugen.

Wie wirken Anticholinergika bei Dranginkontinenz?

 

Unsere Nerven übertragen Signale, die die zunehmende Blasenfüllung und den Harndrang an das Gehirn melden. Gelangen diese Signale vom Gehirn wieder zur Harnblase, setzen sie an den Nervenenden den Botenstoff (auch Neurotransmitter genannt) Acetylcholin frei. Diese Substanz wandert zu bestimmten Bereichen in der Wand der Muskelzellen, aus denen die Blase besteht. Dort wird Acetylcholin an sogenannte Rezeptoren gebunden, d. h. Acetylcholin passt wie ein Schlüssel zum Schlüsselloch. Diese Verbindung bewirkt dann, dass sich die Muskelzellen zusammenziehen. Geschieht dies im gesamten Blasenmuskel, so kommt es zu einer Harnentleerung.

Eine bestimmte Gruppe von Medikamenten – die Anticholinergika – wirken nun dadurch, dass sie ebenfalls in das „Schlüsselloch” an der Wand der Muskelzellen passen. So blockieren sie die Rezeptoren und das vom Körper freigesetzte Acetylcholin kann nicht mehr wirken. Die Fähigkeit der Blase, sich zu kontrahieren (zusammenziehen), lässt nach und die zeitlichen Abstände zwischen dem Wasserlassen verlängern sich. Die Symptome der Blasenschwäche werden geringer.

Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Blasenschwäche

 

Grundsätzlich ist zu beachten, dass alle in Frage kommenden Medikamente Nebenwirkungen haben. Um diese gering zu halten, ist die individuell richtige Dosierung von großer Bedeutung, weswegen Sie diese zwingend mit einem Arzt oder einer Ärztin besprechen sollten.

Das Problem der Nebenwirkung betrifft vor allem ältere Menschen, die unter mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden, der sogenannten Multimorbidität. Wenn verschiedene Medikamente eingenommen werden müssen, kann es zu riskanten Überschneidungen der Wirkstoffe kommen – selbst bei pflanzlichen Mitteln. Daher ist Selbstmedikation auf jeden Fall zu vermeiden.

Wirkung ohne Nebenwirkungen: Beckenbodentraining

 

Alternativ oder ergänzend zur Behandlung mit Medikamenten, kann regelmäßiges Beckenbodentraining die Symptome einer bestehenden Blasenschwäche lindern. Besonders bei der Diagnose Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) ist Beckenbodentraining vielversprechend. Denn der Beckenboden ist ein Muskel, der sich wie viele Muskeln in unserem Körper gezielt trainieren lässt. Ein starker Beckenboden kann den Urin auch bei körperlicher Belastung (daher der Begriff "Belastungsinkontinenz") wie beim Niesen oder Husten wieder besser halten.

Da schon wenige Minuten tägliches Training helfen können, sollten Sie Beckenbodentraining fest in Ihren Tagesablauf integrieren. Allerdings ist es wichtig, das Training zu Beginn unter fachkundiger Anleitung zu erlernen. Wenden Sie sich hierzu vertrauensvoll an eine/n Physiotherapeuten/in in Ihrer Nähe. In größeren Städten gibt es zudem spezielle Kurse.

Einige einfache Übungen für den Beckenboden finden Sie hier

Quellen:

1https://www.das-pta-magazin.de/urologika-von-blase-bis-prostata-2145494.html

2https://www.dr-nabielek.de/gynaekologie/gutartige-erkrankungen/harninkontinenz

3https://www.aerzteblatt.de/archiv/77029/Harninkontinenz-der-Frau

4https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/harninkontinenz/therapie-behandlungsmoeglichkeiten/