Vorsorge | Über Inkontinenz

Demenzkranke Angehörige Zuhause pflegen

Die häusliche Betreuung eines pflegebedürftigen Elternteils ist eine komplexe Aufgabe. Kommt eine Demenzerkrankung hinzu, birgt dies zusätzliche Herausforderungen. Die Pflege der Liebsten in einer gewohnten Umgebung ist bereits eine große Hilfe. 

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Tochter kümmert sich liebevoll um ihre demenzkranke Mutter (Bildquelle: PAUL HARTMANN)

In den frühen Stadien von Demenz entscheiden sich Senioren häufig dafür, in ihrem vertrauten Zuhause zu bleiben. Wenn die geistige Leistungsfähigkeit abnimmt, können Frustrationen und Verhaltensänderungen im Alltag auftreten. Die erkrankte Person verweigert oftmals die Pflege, oder zeigt sich auf den ersten Blick undankbar.

Die Entscheidung einen Angehörigen mit Demenz Zuhause zu pflegen verdient Respekt und Anerkennung. Wir bei HARTMANN wissen: Verwandte und Bekannte, die Angehörige oder nahestehende Personen pflegen, sind Helden!

In diesem Wegweiser für die häusliche Pflege von demenzkranken Angehörigen finden Sie nützliche Ratschläge zum Umgang mit Ihren Liebsten.

Was ist Demenz?

 

Wenn Sie einen Angehörigen mit Demenz betreuen, oder planen dies zu tun, ist es am wichtigsten zuerst die Krankheit zu verstehen.

Demenz ist keine spezifische Krankheit, es ist ein genereller Begriff für die Minderung der geistigen Fähigkeiten1. In Deutschland sind mehr als 1,5 Millionen Menschen an Demenz erkrankt2. Alzheimer stellt mit 2/3 der Fälle die häufigste Demenz-Form3. Die Symptome von Demenz, nehmen im fortschreitenden Verlauf der Krankheit an Schwere zu, sodass das alltägliche Leben der erkrankten Menschen komplett beeinträchtig wird.

Wenn Sie mit den Symptomen und den Stadien von Demenz vertraut sind, wird es Ihnen leichter fallen die Verhaltensweisen Ihres Angehörigen zu erkennen und ihren Umgang anzupassen:

Demenzbetreuung Zuhause: Ihr Ratgeber

 

Mit fortschreitender Krankheit werden auch die Bedürfnisse Ihres Angehörigen zunehmen. Sie können die Pflege eng mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin abstimmen. Ebenso wichtig ist Ihre Fähigkeit, langfristig ein/e Angehörige/r zu bleiben, der/die gerne pflegt. Unterstützendes Pflegepersonal kann dies erleichtern.


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Hilfe bei der Orientierung von Demenzkranken

 

Mit dem Nachlassen der geistigen Fähigkeiten fällt es Demenzkranken schwerer sich zu orientieren. Im häuslichen Umfeld sollte die gewohnte Anordnung von Möbeln und Gegenständen beibehalten, und möglichst wenig verändert werden. Eine vertraute Umgebung vermittelt das Gefühl von Geborgenheit, während Veränderungen meist Verwirrung und Unsicherheit bei demenzkranken Menschen hervorrufen.


Folgende Tipps können Ihnen helfen die räumliche Orientierung zu verbessern:

  • Vertraute Möbel und Dekoration in der Wohnung beibehalten
  • Keine großen Veränderung am Wohnraum durchführen
  • Nötige Veränderungen schrittweise und langsam einführen
  • Übersichtliche Gestaltung des Wohnraumes
  • Vermeidung von Reizüberflutung (bspw. hohe Anzahl von Bildern oder auffälligen Mustern bei Teppichen)
  • Kennzeichnung von Räumen und Schränken durch Bilder (bspw. Bestecksymbol für die Besteckschublade)
  • Helle Umgebung, mit wenig Schattenmustern (dunkle Böden oder Böden mit dunklen Mustern werden im fortgeschrittenen Stadium als Löcher wahrgenommen)

Zur Unterstützung der zeitlichen Orientierung können diese Maßnahmen nützlich sein:

  • Rituale und Feste beibehalten, und zusammen vorbereiten (jährliche Wanderungen, Eiermalen etc.)
  • Tägliches Datum und Wochentag sichtbar machen
  • Große Uhren mit einfach ablesbaren Zeigern aufhängen, oder digitale Uhren mit großer Anzeige benutzen
  • Wenn nötig, zeitliche Angaben vereinfachen (bspw. "nach dem Abendessen")
  • Datum und Uhrzeiten täglich in Gespräche einbauen

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Wie kann man das Zuhause für Demenzerkrankte sicherer gestalten?

 

Mit beginnender Demenz steigen Vergesslichkeit und Wahrnehmungsstörungen, was Unfälle oftmals unvermeidbar macht. Stolperfallen wie Kabel einer Stehlampe sollten vermieden werden. Auch dicke Teppiche können ungewollt zu Hindernissen werden. Wenn auch solche Hürden des täglichen Lebens vermieden werden können, sollte es nicht ins Extreme ausschweifen und in einer Überfürsorglichkeit enden. Den erkrankten Angehörigen wird dadurch die letzte Eigenständigkeit geraubt, was zu Frust und Aggressionen führen kann. Eine gute Balance ist hierbei wichtig:

  • Demente Menschen sollten das Autofahren möglichst unterlassen
  • Autoschlüssel außer Reichweite aufbewahren
  • Fahrzeug außer Sichtweite parken
  • Autoritätspersonen bei Verboten zu Rate ziehen, um Auseinandersetzungen zu vermeiden (bspw. Führerscheinstelle, Ärzte)
  • Das Rauchen in der gesamten Familie unterlassen
  • Unvermeidbares Rauchen von Demenzkranken sollte nur unter Beobachtung stattfinden
  • Schwer entflammbare Bettwäsche und Kleidung verwenden
  • Streichhölzer & Feuerzeuge außer Reichweite aufbewahren
  • Stolperfallen vermeiden (bspw. Kabel und dicke Teppiche)
  • Beim Rasieren unterstützen
  • Wasserboiler auf eine nicht zu heiße Maximaltemperatur einstellen, um Vebrühungen ausvermeiden
  • Induktionsherde vermeiden unbeabsichtigtes Einschalten
  • Haltegriffe im Badezimmer und Handläufe bei Treppen anbringen
  • Fenster und niedrige Balkongeländer sichern
  • Dabei wichtig: Eigenständigkeit der Betroffenen soweit es geht bewahren

 

Das Verirren verhindern und Tipps zum Auffinden der Person:

Viele von Demenz betroffene Menschen haben einen starken Bewegungsdrang, der sich im mittleren Demenz-Stadium, und speziell nach Umzügen oder großen Veränderungen bemerkbar macht.

Das größte Risiko besteht darin, wenn die Person unbemerkt das Haus verlässt und nicht zurückfindet.

 

Wie Sie dem Verirren zuvorkommen:

  • Hörbare Hindernisse an der Tür anbringen (Klangspiele, Sensoren mit akustischem Signal)
  • Pflegezimmer des/der Betroffenen nicht direkt an der Eingangstür einrichten
  • Person nicht einsperren; dies kann Wut und Panikreaktionen auslösen

 

Sollte die betroffene Person trotzdem das Haus verlassen haben, können diese Schritte beim Auffinden helfen:

  • Die Person sollte ein Armband mit einer Telefonnummer, und der Krankheitserklärung tragen
  • Nachbarn und Geschäfte in der Umgebung informieren und aufsuchen
  • Halten Sie immer aktuelle Fotos der Person bereit

Den Alltag aktiv gestalten

 

Demente Menschen verlieren schrittweise die Fähigkeit Hobbies nachzugehen und Freizeitaktivitäten auszuüben. Das soziale Leben wird aus Angst vor unangenehmen Situationen immer öfter vermieden. Betreuende Angehörige sollten darauf achten dem betroffenen Familienmitglied weiterhin die Teilnahme an einem aktiven Alltag zu ermöglichen, um das Wohlbefinden zu steigern, was die Abnahme der geistigen Fähigkeiten hinauszögern kann.


 


Folgende Tipps können hierbei helfen:



  • Bei vertrauten Haushaltsaufgaben & Gartenarbeiten unterstützen

  • Vertraute Spiele spielen, bei Bedarf mit vereinfachten Regeln

  • Gemeinsames Musizieren oder Singen von bekannten Liedern

  • Gemeinsame Ausflüge & Spaziergänge

  • Erinnerungen wecken; Fotoalben ansehen oder Urlaubsvideos anschauen

  • Einfache sportliche Aktivitäten wie Gymnastik ausüben

  • Auf Konstanz und Regelmäßigkeit der Aktivitäten achten

  • Besucher auf ein Minimum reduzieren

  • Besucher über die Erkrankung und mögliches Verhalten aufklären

  • Auch hier gilt es eine Balance aus Eigenständigkeit und individueller Betreuung zu finden

Wie soll man mit Demenzkranken kommunizieren?

 

Mit dem fortschreitenden Verlauf der Krankheit nimmt die Fähigkeit verbal zu kommunizieren bei den Betroffenen ab. Dies führt häufig zu Frustration und Enttäuschung. Daraus kann ein sozialer Rückzug und sogar völlige soziale Isolation folgen. Trotz Hürden, ist es wichtig weiterhin den sprachlichen Austausch mit dem/der betroffenen Angehörigen zu suchen. Eine stark vereinfachte Sprache kann dabei helfen. Die Fähigkeit Körpersprache und Mimik zu deuten bleibt lange Zeit erhalten und sollte in Ihren Gesprächen berücksichtigt werden.

  • Auf Augenhöhe miteinander sprechen, sowohl körperlich als auch sprachlich
  • Augenkontakt beibehalten
  • Langsam und deutlich sprechen
  • Leicht verständliche, kurze Sätze benutzen
  • Wählen Sie vertraute Begriffe (bspw. für den Toilettengang), den die betroffene Person von früher kennt
  • Angehörige/n zum Sprechen ermutigen, einfache Fragen stellen
  • Geben Sie Ihrem/Ihrer Angehörigen genug Zeit zum Antworten
  • Gesprächsthemen des/der Betroffenen aufgreifen und weiterführen
  • Wiederkehrende, sinnlos wirkende Aussagen ernst nehmen und Interesse zeigen, nicht kritisieren
  • Körpersprache und Mimik miteinbeziehen
  • Körperkontakt wie Umarmungen, Berührungen und Streicheln sind wichtig und bewirken ein Gefühl von Geborgenheit
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Körper & Ernährung

 

An Demenz erkrankte Menschen benötigen zunehmend Unterstützung bei der Körperpflege. Die Verwendung von Zahnbürsten oder Kämmen fällt mit der Zeit schwerer. Scham und Unwohlsein führen oft dazu, dass Betroffene die Hilfe bei der körperlichen Pflege, insbesondere beim Waschen, verweigern. Professionelle Pflegende können bei dieser sehr intimen Situation dem/der zu Pflegenden und der betreuenden Person helfen diese Grenzen zwischen Familienangehörigen zu wahren.

 

Körperpflege bei Demenzkranken

  • Auf Regelmäßigkeit und gleichen Ablauf achten
  • Abläufe angenehm und ohne Zeitdruck gestalten
  • Eigenständigkeit der Betroffenen unterstützen, Hilfestellung schrittweise anpassen
  • Duschmatten und Haltegriffe im Badezimmer geben Sicherheit
  • Wassertemperatur überprüfen, wenn möglich auf eine nicht zu heiße Maximaltemperatur einstellen, ansonsten kann es zu Verbrühungen kommen
  • Legen Sie besonderes Augenmerk auf Mundhygiene (Zahnprothesen)

 

Passende Kleidung für Demenzerkrankte

Die zu betreuende Person sollte sich in ihrer Kleidung wohlfühlen, wenn auch darauf geachtet werden sollte, dass die Kleidungsstücke leicht an und ausgezogen werden können. Vor allem kleine Knöpfe und enge Ärmel oder Halsausschnitte können die Eigenständigkeit beim An- und Ausziehen erschweren. Heutzutage ist auch weite, bequeme Kleidung erhältlich, die trotzdem elegant aussieht.

Eigenschaften, auf die Sie beim Kauf von Kleidung achten sollten:

  • Große Klett- und Reißverschlüsse
  • Büstenhalter sollten vorne geöffnet werden können
  • Rutschfeste Schuhe ohne Schnürsenkel
  • Weite Kleidung mit großem Halsausschnitt
  • Elastischer Taillenbund
  • Verwendung von Eindorn-Gürteln mit großen Löchern

 

Ernährung

Essen macht Demenzkranken nach wie vor Freude, vor allem zusammen mit der Familie. Zusätzlich strukturieren regelmäßige Mahlzeiten den Tagesablauf. Wenn die betroffenen Personen beginnen mit den Fingern zu Essen, oder viel zu kleckern, sollte dies nicht kritisiert werden. Kritik kann die Betroffenen frustrieren, was wiederum zur Essenverweigerung führen kann. Auch beim Essen hat der Erhalt der Eigenständigkeit Priorität.

Achten Sie beim Kochen und beim gemeinsamen Essen auf folgende Dinge:

  • Mundgerechte Stücke können das Essen erleichtern
  • Aktiv Mahlzeiten anbieten und gemeinsam essen (Betroffene vergessen oft zu essen)
  • Anhaltende Appetitlosigkeit kann auf körperliche Beschwerden hinweisen (Ärzt/in aufsuchen)
  • Gesunde Ernährung
  • Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, auch über das Essen
  • Großes Besteck, das leicht zu verwenden ist, benutzen
  • Rutschfeste Unterlagen und tiefe Teller benutzen
  • Viel Bewegung steigert den Appetit

Toilettengänge & Inkontinenz

 

Wenn die Demenz schwerwiegender wird, fällt es den Erkrankten schwerer eigenständig die Toilette zu benutzen, oder den Urin und/oder Stuhl einzuhalten. Dies kann zur Harninkontinenz (unkontrolliertes Austreten von Urin), Stuhlinkontinenz (unkontrolliertes Austreten von Stuhl) oder zu beidem führen. Demenzkranke sind häufiger von Harninkontinenz betroffen (53 %) als nicht von Demenz betroffene Senioren (13 %)5.Bei Harninkontinenz kann es zu gelegentlichem Urinverlust in kleineren Mengen kommen bis hin zum kompletten Kontrollverlust.

Einen ausführlichen Artikel zum Thema Inkontinenzformen finden Sie hier.

Folgende Tipps können eigenständige Toilettengänge fördern:

  • Privatsphäre respektieren und dem/der Betroffenen Zeit geben
  • Die Toilette gut erkennbar machen - mit Hinweisen oder Zeichen
  • Wenn möglich die Gästetoilette immer freihalten und nur für den/die Betroffene/n reservieren
  • Haltegriffe und erhöhte Toilettensitze können den Toilettengang erleichtern
  • Kleidung kaufen, die einfach an- und auszuziehen ist
  • Toilettenplan mit festen Uhrzeiten einführen
  • Die/den Betroffene/n an den Toilettengang erinnern. Wird der Toilettengang abgelehnt, nach kurzer Zeit nochmal erinnern.
Inkontinenz bei Demenzkranken

Inkontinenzprodukte

Bei all den Herausforderungen sollte Ihr eigenes Wohlbefinden nicht in Vergessenheit geraten. Achten Sie darauf sich selbst Pausen einzuplanen. Suchen Sie sich Unterstützung von anderen Angehörigen, oder professionellen Pflegefachkräften, um sich Tage freinehmen zu können. Nehmen Sie die Frustration und Aggressionen von Demenzkranken nicht persönlich. Auch wenn betroffene Angehörige Ihnen möglicherweise wenig Dankbarkeit oder Wertschätzung für Ihre Fürsorge zeigen, vergessen Sie nicht, dass sie Sie jetzt mehr denn je brauchen.


Quellen:

1https://www.alz.org/de/was-ist-demenz.asp

2https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf

3https://www.alzheimer-forschung.de/aktuelles/meldung/demenz-und-alzheimer-gibt-es-einen-unterschied/

4https://demenz-forschung.com/demenz-stufen-verlauf-stadien/

5Yap, Philip and Tan, David, Urinary incontinence in dementia, A practical approach; 2006, p 237-238 https://www.racgp.org.au/afpbackissues/2006/200604/200604yap.pdf, page 237 and 238